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Das neue Hinweisgeberschutzgesetz und seine Konsequenzen

12. Juni 2023

Eine Kassiererin im Supermarkt, die merkt, dass der Filialleiter verdorbene Lebensmittel umetikettiert; der Buchhalter, der entdeckt, dass der CEO seine privaten Reisen über das Firmenkonto finanziert – beide stellen sich vermutlich die gleiche Frage: Sollen sie den Missstand melden und so ihre Zukunft gefährden? Denn Hinweisgeberinnen und Hinweisgeber hatten es in der Vergangenheit oft nicht leicht. Wer auf Missstände hinweist, muss nicht nur um seinen Job bangen, sondern findet auch häufig keinen neuen.

Am 2 Juli 2023 tritt das neuen Hinweisgeberschutzgesetz (HinSchG)  in Kraft, welches diesem Abhilfe schaffen soll und die Hinweisgebenden umfassend schützen soll.  Es soll Whistleblower zukünftig vor Repressalien wie Kündigung, Abmahnung, Versagung einer Beförderung, geänderte Aufgabenübertragung, Rufschädigung, Disziplinarmaßnahmen, Diskriminierung oder Mobbing schützen. 

Beim HinSchG handelt es sich um die deutsche Umsetzung der EU-Whistleblower-Richtlinie, die erstmals EU-weit einen standardisierten Schutz für Hinweisgeber festlegen will. Das Gesetz regelt den Schutz natürlicher Personen, die im Rahmen ihrer beruflichen Tätigkeit Informationen über Verstöße erlangt haben und diese an die internen oder externen Meldestellen weitergeben (hinweisgebende Personen). Dies bezieht Arbeitnehmende, Beamte, Selbstständige, Gesellschafter, Praktikanten, Freiwillige, Mitarbeitende von Lieferanten sowie Personen, deren Arbeitsverhältnis bereits beendet ist oder noch nicht begonnen hat und sich in einem vorvertraglichen Stadium befindet, mit ein.

Danach müssen Unternehmen ab 250 Beschäftigten sofort interne Hinweisgebersysteme einrichten. Ende des Jahres folgen dann alle Unternehmen ab 50 Mitarbeitenden.


Gemeldet werden können Verstöße gegen nationales Recht. Voraussetzung hierbei ist, dass es sich um strafbewehrte (Straftat) oder bußgeldbewehrte (Ordnungswidrigkeit) Vergehen, die Gesundheit/Leben gefährden, handelt.  Der Anwendungsbereich bleibt auf den beruflichen Kontext beschränkt, d. h. Hinweise über Verstöße fallen nur unter den Anwendungsbereich des Gesetzes, wenn sie sich auf den Arbeitgeber oder andere Stellen beziehen, mit dem der Hinweisgebende beruflich in Kontakt stand.

Konkret bedeutet dies Unternehmen müssen eine sichere Stelle für Mitarbeiter einrichten im Unternehmen an die Gesetzesverstöße im Unternehmen gemeldet werden können und im Zuge dessen die Identität des Hinweisgebenden geschützt bleibt. Das Verfahren der Meldungsabgabe muss mündlich oder schriftlich und auf Wunsch auch persönlich möglich sein. Die interne Meldestelle muss Hinweisgebenden innerhalb von 7 Tagen den Eingang der Meldung bestätigen. Innerhalb von drei Monaten muss die Meldestelle die hinweisgebende Person darüber informieren, welche Maßnahmen in Folge ergriffen wurden, z. B. die Einleitung interner Untersuchungen oder die Weitergabe der Meldung an die zuständige Behörde

Nach dem HinSchG soll es zwei Meldestellen geben eine interne im Unternehmen und eine externe Meldestelle beim Bundesamt für Justiz (BfJ). Letztere soll bundesweit zuständig sein und Hinweise aus der Privatwirtschaft und dem Public Sector annehmen. In speziellen Zuständigkeitsbereichen sollen die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) und das Bundeskartellamt (BKartA) mit ihren bereits etablierten Hinweisgebersystemen als externe Meldestelle mit Sonderzuständigkeiten fungieren. Darüber hinaus können die Bundesländer eigene Meldestellen einrichten.

Whistleblower können zwar frei entscheiden, ob sie interne Meldungen oder Hinweise über die externe Meldestelle abgeben möchten. Das Gesetz sieht jedoch vor, dass interne Meldestellen vorrangig genutzt werden sollen. Unternehmen sollen daher Anreize schaffen, damit Hinweisgeber bevorzugt auf die internen Meldekanäle zurückgreifen, ohne jedoch die Abgabe von Meldungen an externe Meldestellen zu behindern.

Unternehmen sollen z. B. klare und leicht zugängliche Informationen über die Nutzung des internen Meldeverfahrens bereitstellen. Die externen Meldestellen sollen Hinweisgeber insbesondere auch über die Möglichkeit einer internen Meldung informieren.

Das Gesetz verpflichtet zwar nicht dazu, aber empfiehlt den internen und externen Meldestellen, dass sie auch anonyme Hinweise bearbeiten sollen (§ 16).

 Repressalien gegen einen hinweisgebenden Arbeitnehmer durch den Arbeitgeber sind explizit verboten. Der Arbeitgeber muss somit nachweisen, dass zwischen einer Kündigung einer Mitarbeiterin oder eines Mitarbeiters und der Meldung von Missständen keinerlei Verbindung besteht. Allerdings muss die hinweisgebende Person substantiiert geltend machen, dass die Benachteiligung eine Repressalie ist.

Im Falle der Nichteinhaltung der gesetzlichen Vorgaben des Hinweisgeberschutzgesetz sind Sanktionen von bis zu 50.000 Euro vor.

Was bedeutet das für Unternehmen mit mehr als 50 Mitarbeitern?

Die Firmen sollten sich rechtzeitig um die Einrichtung professioneller Compliance-Strukturen kümmern, um die Meldung der Whistleblower über interne Meldekanäle zu fördern. Die Praxis zeigt, dass ein Hinweisgebersystem insbesondere dann erfolgreich ist, wenn es in eine vertrauensvolle und transparente Unternehmenskultur eingebettet ist.

Je besser die Kanäle wie z. B. ein internes Hinweisgebersystem kommuniziert werden und auf der Website oder im Intranet aufzufinden sind, desto mehr Mitarbeitende haben davon Kenntnis und können bei Bedarf darauf zurückgreifen. Alle relevanten Informationen über das Gesetz müssen demnach für Mitarbeitende leicht verständlich zugänglich sein.